Kleinere Geschichten aus meinem Leben.

Werden ständig nachgearbeitet

 

Meine Kindheit

 

Eigentlich versuche ich schon immer etwas über mein Leben zu schreiben, aber da sich vieles kompliziert gestaltet ist es gar nicht so einfach. Erst einmal geht es um die Namen, denn ich darf keinen zu nahe treten, damit er nichts gegen mich unternimmt, weil ich etwas über ihn schreibe. Das heißt nahmen verändern, Geschehnisse verändern, Zeiten verändern oder alles irgendwie umgehen. Zum anderen kommt hinzu, dass mir immer, wenn ich etwas schreibe mir ein Anderes Erlebnis einfällt, was schon vorher stattgefunden hat.  Noch einige mehr oder minder Wichtige Angelegenheiten haben mich immer wieder davon abgehalten.

 

Deshalb habe ich mich entschlossen aus den einzelnen Erlebnissen kleine Kurzgeschichten zu machen, die sich aber oft zeitlich überschneiden. Diese werde ich dann später zu einem Buche zusammenstelle.

 

Ich bin 1940 in Kiel geboren und groß geworden. Am Rande der Stadt in einer Sackgasse. Meine Eltern hatten eine Doppelhaushälfte.  Mein Vater war Mauermann und meine Mutter und Bauernmagd. Ich hatte noch zwei ältere Schwestern und mein Vater war während meiner Geburt an der Ostfront als Soldat.1943 als Schwester verwundeter entlassen, wurde er dann Bauaufseher. Aber er war mehr im Krankenhaus als zu Hause. Meine Mutter, war darum mit uns drei Kindern mehr auf sich gestellt. Dadurch hatte ich viele Freiheiten, oder besser habe ich mir viele Freiheiten genommen, die vielleicht nicht normal waren.

 

Die ersten Erinnerungen in meinem Leben fangen damit an, dass ich krank war. Ich hatte Scharlach und lag bei uns zu Hause in meinem Bett. Meine Mutter fuhr mit mir ins Städtische Krankenhaus. Hier wurde ich in einem Vergitterten Bett gelegt, um dann einen Tag später mit einem großen Krankenwagen in ein anderes Krankenhaus befördert zu werden. In diesem Krankenauto waren mehrere Kranke. Kinder und Erwachsene. Wie viele kann ich nicht sagen, aber einige lagen auf Tragen und wir Kinder saßen auf den Fußboden in Decken gewickelt. Es war noch Krieg und wie ich später erfuhr das Jahr 1943. Wir galten als Epidemie Kranke und wurden damals in Schleswig-Holstein in den Ort Schafstedt gebracht. Hier gab es lange Barracken, in denen alle ansteckenden Krankheiten untergebracht wurden. Ich kam mit mehreren Kindern in einen großen Raum. Rechts und links reiten sich die Betten aneinander. Wie viele wir waren kann ich nicht mehr genau sagen, aber ich meine aus späterer Sicht waren wir 10 Kinder in einen Raum und Mädchen waren auch dabei. An der Außenseite waren nur Fenster, wo die Besucher, die sonntags kamen, standen. Dann wurden die Fenster geöffnet. Das war die einzige Verbindung, die ich derzeit mit meiner Mutter oder Vater hatte, wer gerade zu Besuch kam. Die Schwestern waren sehr streng mit uns und drohten uns immer, wenn wir nicht gehorchten würden sie uns in den Keller sperren und dann würde uns der Kohlenklau hohlen. Ich stellte mir unter dieses Wesen etwas ganz Schreckliches vor und hatte Höllische Angst davor. Vom Bett aus konnten wir draußen über einen Platz eine weitere Baracke erkennen in der auch Kranke lagen. Anscheinend lagen da nur Erwachsene. Wir konnten genau erkennen wen die Schwestern dort jemand nach draußen stellten. Manchmal mehrere am Tag, die wurden dann abends abgeholt. Die schon etwas größeren Kinder sagten das sind alles Tote, den dort drüben lagen nur Typhus oder Diphtherie-Kranke und die würden alle sterben. Gut irgendetwas wird schon daran gewesen sein, sonnst hätten diese wohl nicht den ganzen Tag draußen gelegen. Meine Mutter brachte mir auf mein Bitten mein Lieblings Spielzeug Ein Holzflugzeug mit. Davon hatte ich aber nicht lange etwas. Denn einer der größeren Jungen nahm es mir weg und dann wurde es von Bett zu Bett geschmissen, bis es dann in einer Ecke liegen blieb. Ich kletterte aus meinem Bett heraus, um es mir zu holen, wurde aber dann von einer Schwester erwischt. Erst bekam ich zur Freude aller Kinder den Hintern versohlt und wurde mit den Kohlenklau bedroht. Das Flugzeug was beschädigt war wurde mir aber zur Strafe weggenommen, ich habe es nie wiedergesehen. Wenn die Eltern, ach die anderen Kinder etwas essbares mitbrachten, dann sollte sie es immer gleich hinter dem Fenster auf der Fensterbank legen. Das wurde dann von den Schwestern nach der Besuchszeit eingesammelt Sie sagten immer, dass sie es unter allen anderen Kindern gerecht verteilten. Wir haben nie etwas davon gesehen. Die Größeren Kinder rannten dann immer hin und holten sich ihre Sachen und aßen dieses sofort auf. Einmal brachte meine Mutter für mich Marzipan mit den sie immer selbst herstellte. Da bin ich wieder über das Gitter von meinem Bett geklettert und habe es mir geholt. Dann bin ich schnell zurück und habe mir eine Marzipan kugel nach der anderen in den Mund geschoben. Leider habe ich nicht alle geschafft, noch bevor ich die Hälfte auf hatte kam eine Schwester ins Zimmer und nahm mir das Marzipan unter großes Geschrei fort. Sie schimpfte auch mit meiner Mutter, sagte ihr aber, dass wir es nach und nach bekommen würden. Von meinem Marzipan habe ich nie wieder etwas gesehen. Einige Kinder beschwerten sich bei ihren Eltern, was zur Folge hatte, dass diese nichts essbares mehr mitbrachten. Wenn ein Elternteil die Schwestern darauf ansprach, stritten diese gegen an und sagten es sei eine Lüge. Als dann einmal wieder mein Vater zu besuch kam, habe ich mich wohl bei ihm so heftig beschwert, dass er alles unternommen hat, um mich mit nach Haus zu nehmen. Es war Winter und Weihnachten war nicht mehr weit, Raus durfte ich noch nicht, aber meine Eltern hatten sich einen Hund angeschafft eine Boxerhündin sie hieß Asta und war meine beste Spielkameradin. Ich erinnere mich noch ziemlich gut an dieses Tier 1945 mussten meine Eltern Asta allerdings wiederverkaufen, weil wir nicht genug zu Essen hatten.

 

 

 

Zum Gedenken an meine Mutter, sie hieß Frieda und 1909 geboren sie wurde 89 Jahre alt.

 

 

 

 

 

Von Bratkartoffel und Kartoffelpuffer.

(auch Kartoffelpfannkuchen genannt)

 

Diese Geschichte spielt so in den Endvierziger Jahren, denn ab den Fünfzigern hörte nach und nach das nachbarliche Zugehörigkeitsgefühl nach und nach auf. Es fing die zeit an wo sich jeder selbst der nächste war.

Meine Mutter war eigentlich eine Frau wie viele Andere in der Nachkriegszeit. Kittelschürze und Kopftuch waren Trend. Hüte trugen nur die Feinen Damen, so war die Ansicht vieler Frauen zu damaliger Zeit. Und wer wollte schon als feine Dame gelten, nee nich, nein sowas!

 

Kochen konnte meine Mutter auch so gut wie es mit damaligen Mitteln möglich war. Jedenfalls ihr "Rüben-Auflauf," der noch mit Kleie gebacken wurde, denn richtiges Mehl war knapp, schmeckte uns immer gut und den gab es auch als Sonntags-Kuchen. Wie eben fiele andere Gerichte, die aus einfachen Zutaten bestanden.

 

Die Gerichte waren einfach und wir waren froh, wenn wir überhaupt etwas zu Essen hatten. Selbst ein Knochen wurde zweimal ausgekocht, damit wenigstens ein paar Fettaugen in der Suppe waren. Sonst guckten mehr Augen rein als raus. Auch wenn meine Mutter Bratkartoffeln machte, dann waren wir nicht zu bremsen obgleich sie in Rinder fett gebraten wurden, weil es manchmal das einzige war was es gab. Auch noch später wo die Hungerjahre vorbei waren und wir wieder richtiges Fett hatten, waren Bratkartoffeln die Sensation jetzt natürlich in Speck gebraten so schmeckten sie natürlich noch besser.

 

Aber wenn meine Mutter Kartoffelpuffer backte, dann wurde immer noch Rinder fett genommen und nichts anderes. Die schmeckten in Rinder fett gebraten am besten. Dann war bei uns in der kleinen Straße, in der wir wohnten, ein halbes Volksfest. Die Nachbarschaft lief zusammen, wenn Frieda Kartoffelpuffer backte.

 

Wenn meine Mutter dann zu mir sagte heute gibt es Kartoffelpuffer aber lade nicht wieder die ganze Straße ein, musste ich es natürlich meinen besten Freund Üffer, er hieß richtig Uwe, erzählen und der sagte es weiter. Dann liefen die anderen Kinder zu ihren Eltern und riefen:

„bei Tante Frieda gibt es heute Abend Kartoffelpuffer!“

 

Ja und schon nahmen die anderen Mütter ihre Kartoffeln und was sonst noch zum Kartoffelpuffer gehört und versammelten sich alle bei uns in der Küche. Da wurden dann Kartoffeln in Mengen gerieben.

 

Wenn es dann gegen Abend wurde, wurde unser Küchenfenster geöffnet. Wir hatten ein Halbes Siedler-haus, die Küche war auf der Giebelseite und hatte ein dreiflügeliges Fenster, die alle drei geöffnet wurden.

 

Meine Mutter stand am Herd, „Dazu muss ich sagen, dass der Herd noch mit Holz oder Torf geheizt wurde, denn Kohlen konnte man sich damals nicht leisten“ sie hatte in ihrer Bratpfanne das Rinder fett ausgelassen und nun ging es los. Drei Stück passten immer mit einmal in die Eiserne Pfanne. Und wenn die ersten Kartoffelpuffer dann fertig waren, wurden sie von einer der Frauen in Puderzucker oder richtigen Zucker, was man gerade hatte, gewälzt und durch dem Fenster nach draußen gereicht.

 

Hier kam es jetzt darauf an wer der Schnellste war, der bekam einen Kartoffelpuffer. Dieser war dann noch so heiß, dass man ihn kaum in seiner Hand halten konnte. Aber er musste ja heiß verzehrt werden, weil sonst das Rinder fett am Gaumen klebte. Dabei wanderte der Kartoffelpuffer unter Pusten und Prusten von der Linken in die rechte Hand und zurück, bis man dann endlich abbeißen konnte. Manchmal gab es Stadt Zucker auch Apfelmus dazu, der kleckerte dann noch zusätzlich vom Kartoffelpuffer, wenn man nicht aufpasste.

 

Wir Kinder schlugen uns die Bäuche voll mit Kartoffelpuffer und dass tolle dabei war, dass wir an diesen Tagen alle später ins Bett mussten als sonst.

 

Wenn die Männer von ihrer Arbeit nach Hause kamen fanden sie einen Zettel auf den Tisch mit der Nachricht: „bei Frieda gibt es Kartoffelpuffer.“ Dann kamen sie eiligst herbei, um sich ihre Portion zu holen. Einer brachte dann meistens noch einen selbst gebrannten mit, einer sein Schifferklavier (Treckbüddel wie wir dazu sagten) und das Straßenfest war perfekt.

 

Man ließ meine Mutter hochleben, denn keine Frau konnte den Kartoffelpuffer teig so hinkriegen und dann noch braten wie Frieda. Darüber waren sich alle einig.

 

Als Kind wusste ich schon, dass meine Mutter dann immer sehr stolz war und darum habe ich es auch immer weitergesagt, wenn sie Kartoffelpuffer backen wollte. Heute weiß ich auch warum meine Mutter immer nur Kartoffelpuffer backte, wenn das Wetter schön war.

 

Einige Kartoffelpuffer mussten aber immer übrig bleiben, denn meine Schwester, die damals in der Schneider lehre war, hat diese am liebsten kalt gegessen, was keiner verstehen konnte. Sie nahm sich die kalten Kartoffelpuffer immer mit zur Arbeit anstelle von belegten Broten.

 

 

Bohnenkaffee.

Bohnenkaffee gab es ja auch so gut wie gar nicht und deshalb gab es bei uns zu Hause nur Muggel Fuggel oder auch Mugge Fugge genannt. Das war Kaffee-Ersatz, der aus Gerste gebrannt wurde. Ein Hersteller schrieb immer als Werbung auf seine Packungen:

"Aus Korn gebrannt als Kaffee bekannt".

Wenn dann besuch kam, wurde wenn man denn hatte zu diesen Kaffee immer drei oder auch vier richtige Kaffeebohnen beigemischt und man ergötzte sich dann an den schönen Duft. Ich weiß, dass meine Mutter sich nichts aus Bohnenkaffee machte, und das wusste auch mein Onkel Fritz. Denn nach der Währungsreform 1949 gab es wieder Bohnenkaffe in kleinen Tüten für 50 Pfennig. Immer wenn er sich mal für fünfzig Pfennig ein paar Kaffeebohnen kaufen konnte, Das waren mal gerade genug Bohnen, um daraus eine vernünftige Tasse Kaffee brauen zu können, Dann kam er zu meiner Mutter und sagte:

"Frieda koch mir doch mal eine Tasse Kaffee."

Wenn meine Mutter ihn dann fragte, warum er nicht zu seiner Frau Luzie ging, antwortete er immer:

"nee, lieber nicht, denn die klaut mir immer ein paar Bohnen und verdünnt mir dann den Kaffee mit Mugge Fuggel."

Dann holte meine Mutter die Kaffeemühle aus dem Schrank und ich musste dann immer die Bohnen mahlen. Dafür brachte er mir immer einen Bonbon mit. Und was tat ich nicht alles für ein Bonbon.

 

Während der Zeit des Mahlens und des Aufbrühens, schwärmte Onkel Fritz in den höchsten Tönen des Geruchs, den der Kaffee verbreitete.

Nun wurde der Kaffee ja noch nicht durch einen Filter gegossen wie heute. Nein der Kaffeepulver wurde in einem kleinen Leinen Beutel getan und dann in der Kanne mit Kochendem Wasser aufgegossen. Dann musste er eine Zeit ziehen, der Beutel wurde entnommen und man konnte den Kaffee trinken. Manchmal ließ Onkel Fritz sich auch noch einen zweiten Aufguss machen und da kam dann zichorienpulve rein, der den Kaffee dann wieder schwarz machte. Den Kaffeepulver, aber den hob meine Mutter auf und wenn sie mal ein Schwarzes Kleidungstück ausbürsten musste dann mit altem Kaffeepulver, der machte den Stoff wieder schwarz.